Kategorie-Archiv: Iran

Iran 4; Shiraz

Aufgrund eines kleinen Missverständnisses bemerkten wir einen Tag vor unserer Ankunft in Shiraz, dass wir dort bislang ohne Unterkunft dastehen. Internet hatten wir auch keines und so bedienten wir uns ein paar Telefonkontakten, die wir von einem anderen Gastgeber bekommen hatten. Als wir in die Stadt hineinfahren erhalten wir über diesen Kontakt eine Zusage. Kurze Zeit später steht eine ganz andere Person am Straßenrand und lädt uns spontan zum Bleiben ein – zwei Übernachtungsmöglichkeiten binnen zehn Minuten! So beginnt schon unser erster Abend in Shiraz mit einer positiven Überraschung, es sollte nicht die letzte bleiben.
Unsere Gastgeber holen uns ab und sind ein echter Glücksgriff. Nicht nur, dass Bobak, Sara und ihr gesamter Freundeskreis sehr liebe und herzliche Menschen sind, sie sind auch echte Rad- und Outdoorenthusiasten. Bald sind sie echte Freunde. Dazu ist Shiraz eine wahre Perle. Die Großstadt ist vollgestopft mit freundlichen Leuten und historischen Orten erster Klasse. Bobak führt uns am kommenden Tag ein wenig durch die Stadt, wir besichtigen eine wunderschöne und durchaus kitschige Jugendstilmoschee, essen iranische Eiscreme (sehr speziell) und bekommen den sehr schicken lokalen Kletterfelsen gezeigt. In Shiraz ruhen zudem Saadi und Hafez, die iranische Version von Goethe und Schiller. Beiden wurde ein Mausulen in Gärten gebaut, die die Iranis gerne besuchen. Die Anlagen sind wahre Orte der Ruhe, nur dezent werden die Gedichte über Lautsprecher abgespielt, während zu Sonnenuntergang hunderte Menschen in den Gärten verweilen. Eine Würdigung der Kunst, wie man sie selten findet. Von einem weiteren Bekannten lassen wir uns am Folgetag die Gärten zeigen – unserer Meinung nach hat Shiraz den Namen als Stadt der Blumen und Dichter allemal verdient.
An einem weiteren Tag besichtigen wir, während unsere Gastgeber arbeiten müssen, das nahegelegene Persepolis. Als wir zurück trampen werden wir spontan zum Kaffee ausgeführt. Nach langer Diskussion darüber, welches Etablissement dem Besuch aus Europa (der übrigens im Vergleich zur restlichen Stadtbevölkerung einen auffällig schäbigen äußeren Eindruck hinterlässt) gerecht werden könnte, fällt die Wahl trotz unseres Protests auf das Grand Hotel der Metropole. So schlürfen wir wenige Zeit später bei grandioser Aussicht den besten Kaffee (tatsächlich nicht entkoffeiniert!) seit einer gefühlten Ewigkeit und tauschen uns mit unseren Gastgebern über Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Deutschland und Iran aus.
Am Wochenende feiern wir in großer Runde in einem private Garten in den Bergen und uns wird mal wieder deutlich, wie groß die Diskrepanz zwischen den Sittenregeln auf der Straße und der privat gelebten Freiheit sein kann. Auch wenn die Stadt für ihren Weinbau im Iran bekannt ist, feiern wir an diesem Abend trocken und bei Tanz und Gesang sehr fröhlich.
In ganz Iran gilt Shiraz als schön, liberal, lebenswert und faul. Wir fühlen uns auf Anhieb zu Hause. Müssten wir nicht irgendwann Heim, wir währen gerne geblieben. So buchen wir schweren Herzens Tickets nach Teheran und machen uns eines Abends auf Richtung Bahnhof. Nach fast 5.000 km ohne eine einzige Panne oder platten Reifen kommt es auf dem letzten Raskilometer zu einem unangenehmen Zusammenstoß zwischen zwei Autos und Lindas Fahrrad. Nun haben wir den berüchtigten iranische Verkehr doch noch zu spüren bekommen. Wie durch ein Wunder bleibt es bei einem blauen Fleck, aber das Rad ist hin. Der Fahrer flüchtet, doch es finden sich sofort viele hilfsbereite Menschen ein. Etwas geschockt lassen wir uns von zwei liebenswerten Menschen zum Bahnhof bringen. Für andere Radler bleibt uns nur der Rat, niemals bei Dunkelheit und möglichst nicht auf Hauptverkehrsstraßen in der Nähe der großen Städte zu fahren.
Wir steigen mit einem schwer beschädigten Rad und einem bitteren Nachgeschmack, auf den wir nach unserer tollen Zeit in diesem Land so gerne verzichtet hätten in den Zug und treten unseren Rückweg an. Shiraz bleibt für uns das Highlight in Iran und eines der ganz tollen Erlebnisse dieser Reise, die sich spürbar dem Ende zuneigt.

Iran 3; weißer Advent

Knapp zwei Wochen bleiben uns noch, um dieses faszinierende, weite Land zu erkunden. Genügend Zeit, um eine letzte Woche auf den Drahteseln durch die sehenswertesten Ecken zu touren. Wir fahren von Isfahan Richtung Shiraz und der schönste Weg führt natürlich durch die Berge. Wir bleiben bei dieser Entscheidung, auch wenn uns nahezu jeder Einheimische, mit dem wir am Wegesrand wie so häufig ein paar Worte wechseln vehement von der Bergroute abrät und uns über den kürzeren, flacheren und viel befahrenen Highway schicken möchte. Unsere Hartnäckigkeit wird belohnt – mit einem wahnsinnigen Panorama auf schneebedeckte, schroffe Berghänge. Auch wenn die Siedlungsdichte rapide abnimmt, bleibt das Verkehrsaufkommen unangenehm hoch. Insbesondere die zahlreichen Trucks machen uns zu schaffen; Baujahr 1960 und ohne Kat röcheln die zunehmend bunt bemalten, bis zum Limit mit allem nur Erdenklichen beladenen Oldtimer neben uns die kurvenreichen Anstiege empor. Wir befinden uns landschaftlich in einer der schönsten Gegenden der Tour, auch wenn Bergbau und Straßenbauarbeiten ihre Spuren hinterlassen.
Obwohl wir durch die Zeitverschiebung seit unserer Ankunft in Iran wieder deutlich mehr Sonnenstunden zum radeln haben, lassen sich Nachtfahrten hier häufig nicht vermeiden. Eines kalten abends werden wir von zwei Bauarbeitern zum Tee in ihr Zeit eingeladenen. Aus der Einladung wird kurzerhand ein Abendessen und trotz der Kommunikationsbarrieren wird es ein einmaliger Abend. Anschließend werden wir, da wir in Iran nicht wild zelten möchten, auch noch zum nächsten Hotel kutschiert. Ein weiteres Beispiel dieser grandiosen Gastfreundlichkeit genießen wir am folgenden Abend. Kurz vor der Dämmerung lädt uns ein Passant zur Übernachtung in sein Haus ein und wir verbringen einen gemütlichen, interessanten Abend. Da es in dieser Gegend keine Gasthäuser gibt, sind wir auf diese Gastfreundschaft gewissermaßen angewiesen. In Iran klappt das zum Glück auch sehr zuverlässig. Wir wissen beim Aufbruch morgens nicht, wo wir die nächste Nacht verbringen werden und sind uns doch sicher, zur rechten Zeit eine warme Bleibe zu finden.
Leider hat sich Julian eine Magenverstimmung eingefangen und wird die wunderbare Bergstraße am nächsten Tag nicht per Rad genießen können. So setzen unseren Weg mit einem alten Truck fort, dessen Geschwindigkeit nahezu der unseren entspricht. Der Fahrer ist sehr freundlich und qualmt etwa genauso viel wie sein LKW. Als er uns absetzt möchte er von uns auch keinen Beitrag zu den Spritkosten haben, wie eigentlich in Iran üblich.
Die einzige größere Stadt auf unserem Weg ist Yasuj und hat wenig zu bieten. Sie nennt sich selbst die „Hauptstadt der Natur“ und davon gibt es drum herum tatsächlich reichlich. Wir fahren Pässe auf über 2.500 m.ü.N.N. und sind umgeben von Schnee. Passend zum Event haben wir uns auch mit Gebäck eingedeckt und so können wir in der Ferne fast in Weihnachtsstimmung verfallen.
Als der Verkehr Richtung Shiraz zunimmt, geht es nur noch bergab. So kommen wir recht schnell ins Stadtzentrum dieser Millionenstadt und die letzte Radeletappe unser Reise ist tatsächlich zu Ende.

Iran 2; Isfahan

Wir fallen früh morgens aus dem Bus und können kaum glauben, dass wir da sind. Isfahan, die Partnerstadt Freiburgs, war unser Ziel und nun sind wir ausgerechnet hier her mit dem Bus gefahren. Eine private Unterkunft haben wir nicht organisiert bekommen, und so machen wir uns auf die Suche nach dem Hostel der Stadt. Wir bekommen ein günstiges Zimmer und dazu kommen wir mal wieder in den Genuss, mit anderen Reisenden zu schwätzen.
Nach dem Frühstück machen wir uns auf, die Sehenswürdigkeiten der Großstadt zu erkunden. Isfahan gehört zu den wenigen touristischen Orten in Iran und dennoch werden wir wie überall freundlich gegrüßt und uns wird mit der selben Selbstverständlichkeit wie zuvor weiter geholfen. So finden wir schnell zum Midan Imam, dem zweitgrößten Platz der Welt, welcher inmitten der Stadt eine Oase zwischen Moscheen und Palästen darstellt. Und uns fällt ein großer Unterschied zu den Städten, die wir in letzter Zeit gesehen haben, auf, man mag sich hier gerne aufhalten. Es gibt Bänke, Grün, Platz und Ruhe. Gruppen von Menschen picknicken entspannt auf dem Rasen und wir lassen uns zu einer kleinen Teppichberatung schleppen, um in den Genuss eines Tees zu kommen. Einen echten Perserteppich nehmen wir dann aber doch nicht in unser Gepäck auf.
Wir schlendern nach einem Besuch in einer der bombastischen Moscheen weiter zum Flussufer. Seit drei Jahren führt der Strom in der dürregeplagten Gegend endlich wieder Wasser und zwischen den historischen Brücken verweilen die Menschen im Park am Ufer. Das Flair erinnert uns an Freiburg und wir verstehen, was diese beiden Orte zu Partnerstädten macht.
Am nächsten Tag machen wir einen ausgedehnteren Streifzug und besichtigen die touristischen Hotspots. Leider ist Freitag und der Basar daher verlassen. Als wir am Nachmittag wieder auf dem Midan Imam ankommen, kann es sich Julian nicht verkneifen und fragt bei der Polizei vor Ort, ob jonglieren hier erlaubt sei. Nach einiger Überlegung fällt dem Beamten dann doch kein Grund ein, der dagegen spräche und so kommen diverse Menschen in den Genuss, zum ersten mal ein Diabolo-Spiel zu sehen. Julian muss danach noch einen Workshop für eine Gruppe jugendlicher afganischer Flüchtlinge geben, die sich ihre Zeit auf den Platz vertreiben und Linda verquatscht sich mit der lokalen Bevölkerung. Nicht nur das Wetter ist hier angenehm, die Stadt ist einfach lebenswert.
Wir wären gerne länger geblieben, wenn wir nicht noch ein bisschen Radfahren wollten.