DIY Bambustandem

Bambustandembau

Ich hatte große Lust mal ein Fahrrad selbst zu bauen und wenn dann schon etwas außergewöhnliches. Da ich recht normal groß bin, habe ich reichlich Auswahl an für mich passenden Fahrradrahmen und so kam die Idee auf doch gleich ein Tandem zu bauen, da sind die Rahmen wenigstens verhältnismäßig deutlich teurer. Nach etwa einem Jahr Überredung war auch meine Reisepartnerin Linda dazu bereit das Projekt mit mir anzugehen. Deutlich teurer als erwartet wurde auch der Tandembau. Am Ende hab ich den Überblick verloren, aber es waren sicher 600€ + ca. 100h Arbeit.

Das Grundprinzip Bambusrad

Ein Bambusrahmen wird weitgehend aus Bambus ohne Metallverstärkung gebaut (das werde ich immer wieder gefragt). Die Verbindungen bestehen aus Faserverstärktem Kunststoff, in unserem Fall Epoxidharz und Hanffaser. An allen Stellen, an denen etwas an- oder eingebaut wird sind in der Regel Metallteile eingesetzt. Das Betrifft zum Beispiel Tretlager, das Steuerrohr, Ausfallenden, Sattelstützrohre. Ich würde vermuten, dass das Heute mit Carbonfaserkunststoffen auch ohne geht, macht die Sache aber deutlich einfacher zu bauen.  

Worüber man sich vorher Gedanken machen sollte

– Geeigneter Raum und Werkzeuge
– Rahmengeometrie / Design und Material
– Ausstattung und was das für den Rahmen bedeutet (Passen die Teile an bzw. in den Rahmen)

Durch die Punkte gehe ich nun Schritt für Schritt durch

Räumlichkeiten und Werkzeuge

Ich habe bei mir zu Hause das Privileg einen recht großen, trockenen Kellerraum zu haben den ich über Monate belegen durfte. Dabei  ist wichtig, dass man dort ersten rumsauen darf (z.B. mit Expoxidharz und PU-Lack), gut Lüften kann (Epoxiddämpfe) und man genug Platz hat um Dinge trocknen zu lassen und halbfertig auch mal zwei Wochen stehen zu haben während man eine technische „Kleinigkeit“ löst.

Die Liste an Werkzeugen, die man wirklich braucht ist relativ übersichtlich. Wir hatten eigentlich auch nur die übliche kleine Heimwerkerausstattung  zur Hand. Dazu zählen:

– Bohrmaschine (Ich würde es nicht nochmal ohne Ständerbohrmaschine angehen)
– Stichsäge (Kreissäge wäre besser)
– Multidrehmel (unerlässlich) mit vielen Schleifpapierröllchen
– Werkbank mit Schraubstock
– Schraubenzieher, Sechskanntschlüssel, Maulschlüssel
– Lochbohrsatz (Holz), Fräsaufsätze für die Bohrmaschine
– Holzfeilen und Schleifpapier
– Diverse Schraubzwinge und Klemmen
– Messschieber, Zollstock etc.
– Feine Wage
– viel Isolierband

Rahmengeometrie, Design und Material

Was auf den ersten Blick als schwierigstes erschien war verhältnismäßig einfach. Die Geometrie haben wir einfach von unseren Reiserädern übernommen. Von der Gabel bis zur vorderen Sattelstütze entspricht das Tandem von den Maßen meinem Rad. Die Länge von dem Oberrohr  hinten entspricht der Länge des Oberrohrs von Lindas Fahrrad + der Länge ihres Vorbaus + 15cm um eine Vorbaukonstruktion nach Hinten unter dem vorderen Sattel Herauszulegen (das war etwas zu wenig). Die hinteren Verstrebungen entsprechend dann weitgehend denen von Lindas Rad, weil wir uns für 26“-Räder entschieden hatten (sind angeblich stabiler). Ich empfehle dringend ein CAD-Programm zu verwenden, das ist nachher um die Maße und Winkel alle entnehmen zu können deutlich einfacher.

Anbauteile

Bei der Konstruktion gibt es noch eine Reihe weiterer Kleinigkeiten zu Bedenken. Zum Beispiel auch welche Teile Nachher angebaut werden sollen. Das Gabelrohr darf nicht länger sein, als man Gabeln kaufen kann. Die Ausfallenden müssen zum Schaltsystem und unter Umständen auch zum Bremssystem passen. Alles was angebaut werden soll (Schutzbleche, Getränkehalter, Felgenbremsen, Umwerfer) braucht eine Aufnahme. Das hatte Ich überhaupt nicht auf dem Schirm. Unser Tandem hatte nachher keinen einzigen Zuganschlag für Bremsen oder Schaltung und das eine normale Umwerferschelle nicht um ein Bambusrohr passt hatte ich auch nicht auf dem Zettel.  Entsprechend Muss man sich vorher überlegen was man eigentlich dran bauen möchte bevor man baut.

Bremsen

Wir haben uns dazu entschlossen keine Gabel selbst zu bauen, was die Frage nach der Bremsaufnahme hier erübrigt hat. Wegen der doch deutlich größeren Belastung haben wir uns für Scheibenbremsen entschieden. Für hinten haben wir entsprechende Ausfallenden mit Scheibenbremsaufname besorgt, aber der Rahmen muss auch breit genug sein für die Scheibe, wir hatten Glück und eine kleine Scheibe passt mit einem halben Millimeter Luft rein. Die nächste Herausforderung ist, dass der Bremskörper selbst rein passt, also zwischen Ketten und Sitzstrebe. Wir mussten nachher eine sehr alte Bremse verbauen, weil neuere mit Adapter nicht passten. Es gibt auch Ausfallenden mit der Scheibenbremsaufnahme an der Sitzstrebe, dass macht die Sache einfacher.  Wer Felgenbremsen möchte braucht entsprechende Sockel am Rahmen, das macht die Sache glaube ich nicht einfacher.

Schaltung

Für die Schaltung müssen die Ausfallenden auch stimmen. Wir hatten uns für Kettenschaltung entschieden, weil man Narbenschaltungen nicht wirklich unter last schalten kann (erfordert auf dem Tandem immer Absprachen). Entsprechend braucht das Ausfallende ein Schaltauge, oder sonst eine Kettenspannung für eine Narbenschaltung. Was ich bis heute nicht zufriedenstellend gelöst habe, ist die Aufnahme für den Umwerfer (Kettenschaltung vorne), die normalen Schellen passen nicht auf die dickeren Bambusrohre, für die Rennradschaltungen gibt es ein System was an ein kleines  Halbrohr am Rahmen geschraubt wird (s.g. Anlötmontage), dazu muss aber das Rohr an der richtigen Stelle sein und man eine entsprechende Aufnahme gebaut haben. Gleiches gilt für das Direct Mount  System im Mountainbike-Bereich, was zuzsätzlich den Nachteil hat, dass es die Umwerfer nur kompatibel mit den 10-11 Gang Kassetten gibt, die sich bei den Belastungen eines Tandems im Flug auflösen. Zumindest für den Umwerfer braucht man in der Regel auch einen Anschlag für die Zughülse am Rahmen. Kurz gefasst, ich rate zur Narbenschaltung, oder dazu sich einen Anlötmontagesockel dranzubauen. Wenn ich das Projekt heute nochmal angehen würde, würde ich flexible Ausfallenden und die Narbenschaltung wählen.

Kettenspannung

Auch ein Thema mit vielen mäßigen Lösungen. Damit die Kette zwischen den Fahrern nicht abfällt muss sie gespannt werden. Das geht mit irgendwelchen gefederten Kettenspannern die am Unterrohr A befestigt werden (sieht  nur mäßig gut aus), oder mit einem Excenter. Ein Excenter ist ein Rundes Bauteil etwa 2x im Durchmesser wie das Tretlager, in dem selbiges eben nicht mittig eingebaut wird. Der Excenter lässt sich im Rahmen drehen und damit das Tretlager nach vorne/hinten bewegen = Kettenspannung. Excenter müssen irgendwie festgeklemmt werden. Häufig passiert das durch ein geschlitztes Gehäuse unten im Rahmen was mit Schrauben zugehalten/geklemmt wird. Das funktioniert wenn man den Bereich des Rahmens aus Hanffasern wickelt schlicht nicht. Die zweite Lösung ist den Excenter mit einem Keil zu Klemmen. Keilexcenter sind echt schwer zu bekommen und teuer. Wir haben den (http://www.zonenschein-bikes.com/epages/61126790.sf/de_DE/?ObjectPath=/Shops/61126790/Categories/%22TOOLZ-%20Bikeparts%22/Excenter) genommen.

Das Material

Bambus ist nicht gleich Bambus. Wir haben uns für ein schlankes Design mit vollverholztem Tam-Vong (Ironbambo) entschieden. Für die Streben haben wir 3,5cm Ø  geschälte Rohre gewählt (6x 1m war viel zu viel) und für den Rest 4,5cm Ø (4x 2,4m auch zu viel). Dichthanf haben wir in groben Mengen im Baumarkt erworben (9 Zöpfe 5 hätten es getan) und etwa 1,5l Epoxidharz (1l Epoxi + 0,5l Härter) haben wir von einem Freund bekommen, dass hat gerade so gereicht. 500ml PU-Lack gab es auch im Baumarkt zum versiegeln. Rahmenbauteile haben wir netter Weise von einem Rahmenbauer aus Freiburg bekommen (Danke Kai http://www.bendixen-bikes.de/galerie/fertige-rahmen.html) der uns auch gleich ein Excentergehäuse ausgedreht hat und ein paar Verlängerungen an die Ausfallenden geschweißt hat, damit wir die einkleben konnten.

Die Rahmenlehre

Wenn man weiß wie nachher alles zusammen aussehen soll kann es losgehen mit der nächsten Planung… Ich weiß eigentlich möchte man nun endlich ein Fahrrad zusammen bauen, aber das gestaltet sich schwierig wenn man keinen Rahmen hat in dem die Teile festsitzen während man den Fahrradrahmen zusammenwickelt. Schließlich müssen die Ausfallenden parallel, mit Achsabstand aufrecht, und in Flucht zu den Tretlagegehäusen sein, damit sich das Rad nachher nicht nur in Linkskurven halbwegs normal fährt, die Kette drauf bleibt und das Rad nicht schleift. All das stellt man mit der Rahmenlehre sicher. Wir haben es uns einfach gemacht und erst mal in großes Brett (Cityboard) genommen und an den Punkten an denen Tretlager, oder die Hinterradachse nachher hinkommen sollten stabile Gewindestangen mit großen Unterlegscheiben und Muttern festgeschraubt. Ich sag es gleich das war alles nicht optimal. Grundsätzlich konnte man die Ausfallenden nun recht leicht mit Muttern auf der Gewindestange positionieren und fixieren. Für die Tretlagergehäuse haben wir mit dem Lochbohrsatz und Schleifpapier passende Kegel gebaut um sie auch fest auf den Gewindestangen verbauen zu können. Für den Geblschaft haben wir zwei Holzwinkel gebaut und ihn dazwischen ähnlich den Tretlagegehäusen befestigt. Für die Sattelrohre haben wir jeweils nur einen Winkel nehmen können, weil sie mit der Unterseite in einem Bambusrohr versinken. Wir haben sie dann einfach auf einen Holzkeil fest gesteckt und den direkt an dem Winkel verschraubt. Unsere Konstruktion war etwas labbrig, aber hat alle Teile grundsätzlich an Ort und Stelle gehalten. Der größte Nachteil war, dass man nur von einer Seite an das Rad kam, weil auf der anderen das Brett war. Unsere Hanfwicklungen sehen nun auf der rechten Seite des Tandems deutlich besser aus.

Wenn ich nochmal eine Bauen würde, würde ich Aluprofile aus dem Anlagenbau nehmen und daraus einen rechteckigen Rahmen bauen, an dem man von beiden Seiten kommt und an dem man relativ einfach von oben und unten Dinge montieren kann. Ich vermute das würde auch deutlich stabiler werden.

Bambusrohre zusägen und Bohren

Entweder man schneidet die Rohre einfach mit der Stichsäge ab und Fräst/schleift sie dann auf ihren Bestimmungsort zu, damit die Rundungen schön aufeinander sitzen, oder man schneidet die Rundungen direkt mit dem Lochbohrsatz hinein. Wir haben den zweiten Ansatz gewählt und waren sehr glücklich damit. Da wir keine Ständerbohrmaschine die ganze Zeit zur Verfügung hatten, konnten wir die Winkel immer nur schätzen, haben  etwas Luft gelassen und dann den Rest mit den Fräsaufsätzen, dem Multidrehmel und im Zweifel per Hand und mit Raspel eingeschliffen. Man kann zum Glück direkt in der Rahmenlehre kontrollieren ob es passt. Dabei darf man keinen Druck auf die Teile Bringen, sonst ist nachher alles schief. Um Löcher für die Sattelrohre in den Bambus zu bringen haben wir uns in eine befreundete Werkstatt begeben und dort mit der Ständerbohrmaschine die Bambusrohre entsprechend ausgehöhlt. Auch die Sattel und Kettenstreben hatten wir ein Stück ausgebohrt/geschlitzt, damit die Auffallenden mit den aufgeschweißten Gewindestangen darauf gut hallt finden.

Den Rahmen zusammenkleben alias Verbindungen Wickel

Wir haben uns so gut als möglich an diese Anleitung (https://bamboobike.wordpress.com/42-2/) gehalten, die Details liest man am besten dort. Jetzt geht es aber richtig los. Folie auslegen, alte Klamotten an, Lackieranzüge drüber, Schutzbrillen, lange chemiefeste Handschuhe und Atemschutz bereitlegen. Dann alle Teile nochmal in die Rahmenlehre und überprüfen, dass sie auch Millimetergenau an Ort und Stelle sind. Ab in die Schutzkleidung, das Zeug ist echt ekelig, unbedingt auch alte Lappen und Klopapier bereit legen, ansonsten braucht man noch Massen an Isolierband.  Als erstes klebt man alles ein was eingeklebt werden muss. Wir haben dazu etwas Epoxi angemischt die einzuklebenden Teile (Ausfallenden, Sattelrohre ) mit wenig in Epoxi getränkte Hanffasern gewickelt und dann eingeklebt. Damit war der Erste Abend auch rum. Am nächsten haben wir alle Teile erst mal an Ort und Stelle in der Rahmenlehre wieder mit wenig Epoxi festgeklebt, damit nicht mehr verrutschen kann. Wir dachten es ist klug Mit Isolierband abzugrenzen wie weit man nachher die Verbindungen Wickelt, damit man saubere Abschlüsse bekommt. Das War doof, wir haben die Isolierbandreste nicht mehr herausbekommen. Eine Gute Idee war alles was man nicht einwickeln wollte in Frischhaltefolie einzupacken. Die Nächsten zwei Tage haben wir dann Alle Rohre nach der Wickelanleitung verbunden, dazu hat immer einer Hanffasern in Epoxi getränkt und bereit gehängt und der andere gewickelt. Das hat sich bewährt weil man das Harz relativ schnell verarbeiten muss. Die Wicklungen sehen erst mal schrecklich aus, in etwa wie sehr fettige Haare, das wird aber nach dem Schleifen und Lackieren deutlich besser. Ein Trick aus dem Internet die frisch gewickelten Muffen mit umgedrehten Isolierband zu überkleben hilft hier schon sehr und ist Gold wert. Wir haben beides ausprobiert.

Finish

Wenn alles gewickelt und ausgehärtet ist, geht es in den nicht zu vernachlässigen Endspurt. Das Rad kommt nun in einem Stück aus der Rahmenlehre, die wir dazu auseinander nehmen mussten. Die Schutzkleidung wird man leider nicht los, jetzt wird es staubig. Wir haben alle Muffen mit dem Drehmel abgeschliffen, was zahllose von den kleinen Schleifpapierröllchen gekostet hat. Die Wicklungen werden dabei nochmal hässlich Mausgrau und ein wenig plüschig von den Fasern. Die Ränder von den Muffen haben wir einfach mit einem Cutter gerade versäubert. Überall wo etwas aufgeschraubt wird (Steuersatz, Tretlager, etc. ) muss man mit dem Drehmel flach abschleifen, weil sonst die Teile nicht sitzen. Am Ende haben wir alles mit PU-Lack überzogen.

In der lokalen Fahrradwerkstatt unseres Vertrauens (https://radgeber-freiburg.de/) haben wir dann alle Gewinde (nach-) geschnitten und mit dem Rohrschneider die Sattelrohre auf die richtige Länge gekürzt und entgratet. Hier wurden wir auch mit den meisten Teilen die wir noch brauchten versorgt und Ally hat uns drei Paar alten Kurbeln zu zwei paar Tandemkurbeln umgebaut (auch dafür nochmal vielen Dank!). Dazu hat er die Gewinde ausgerieben und neue eingeklebt, weil bei Tandems drei der vier Kurbeln  auf der anderen Seite sitzen wie bei einem normalen Rad und entsprechend die Gewinde andersherum sind.   Die Sattelrohre haben wir am Ende mit einer Trennscheibe (Flex) geschlitzt und die Ausgleichsbohrung gesetzt (das kleine Runde Loch am Ende des Schlitzes von dem Sattelrohr).

Dann kam „nur noch“  der Zusammenbau. Wie gesagt, Dinge wie Zuganschläge hatten wir vergessen, Umwerfer habe ich über zwei Jahre später noch keinen passenden und bis ich eine alte IS2000 Scheibenbremse gefunden hatte, die in den Rahmen passte und mir ein guter Freund und Fahrradhändler (https://kimlanger1989.jimdo.com/, hat auch mein Reiserad gebaut mit dem ich praktisch pannenfrei unterwegs bin) eine Spezialleitung dafür hat fertigen lassen verging auch etwa ein Jahr.

Fazit

Alles in allem war es das Aufwändigste und schönste Bauprojekt was ich bislang durchgeführt habe. Das Tandem fährt sich heute wie ein Traum. Es ist mit 24kg nicht sehr schwer geworden und bislang ein tadellos zuverlässig und steif.  Es lohnt sich auf jeden Fall das anzugehen. Es ist ein großer Spaß!