Wie kommt man eigentlich aus dem Zentraliran nach Deutschland, wenn das ökologische Gewissen von Teilen der Reisegruppe Fliegen unmöglich macht? Vor dieser Frage standen wir. Als ersten Schritt haben wir nach unserer Ankunft in Iran Fahrkarten für den Trans-Asia-Express gebucht, eine Zugverbindung von Teheran nach Ankara (48€*). Die Reisezeit beträgt schlappe 2½ Tage und da der Zug nur einmal pro Woche fährt und wir zu Weihnachten in Deutschland sein wollten, war es nicht so schwer, sich auf einen Termin zu einigen.
Von Shiraz nach Teheran gibt es täglich Nachtzüge, somit hatten wir hier erstmal Anschluss. Alles Weitere hatten wir nur sehr grob recherchiert, da für einige Verbindungen nicht herauszufinden war, ob man Fahrräder mitnehmen kann und bei einer so langen Reise eh in den Sternen steht, wann welcher Zug wo ankommt.
Zwei Tage bevor wir in Teheran abfahren machen wir uns auf, damit wir der iranischen Hauptstadt wenigstens einen kurzen Besuch abstatten können. Der Nachtzug ist bequem und mit etwa 20€ pro Kopf nicht teuer, schnell ist er allerdings auch nicht und wir mussten dem Schaffner etwa 7€ für unsere Räder in die Hand drücken. Als wir am nächsten Morgen in Teheran aussteigen, sind wir mäßig ausgeruht. Noch am Bahnhof zerlegen wir Lindas Rad, damit wir nichts, was sich nicht reparieren lässt, die etwa 5000 km nach Hause tragen müssen. Teheran ist dann ein wenig so, wie uns alle Menschen vorgewarnt haben; eine laute, große, schmutzige, moderne Stadt mit wenigen attraktiven Orten. Wir schauen uns das etwas mickrige Nationalmuseum an und verlieren uns einen Tag im Basar. Am zweiten Tag gegen 22 Uhr geht unser Zug. Wir sind zwei Stunden eher am Bahnhof und die Zeit braucht man auch:
1. Am Tresen neben der Tür lässt man die Pässe kontrollierten sowie sich Sitzplätze zuweisen.
2. Das Gepäck wird am anderen Ende des Saales aufgegeben, was erstaunlicherweise auch mit Rädern nichts kostet.
3. Man begibt sich durch die Taschenkontrolle in den Wartesaal.
4. Dort hängt man etwa 45 Minuten rum, bis man endlich zum Gleis und damit auch zum Zug darf.
Wir teilen unser sehr luxuriöses Viererabteil mit zwei sehr lustigen Iranis, die in die Türkei fahren, um dort Arbeit und ihr Glück zu suchen. Die Fahrt ist abgesehen von einer etwas zu gut eingestellten Heizung und der Tatsache, dass es kein vegetarisches Essen gibt rund herum komfortabel. Die Fernseher im Abteil funktionieren zum Glück auch nicht.
Nach mehrstündigen nächtlichen Grenzkontrollen kommen wir problemlos zurück in die Türkei und erreichen gegen Mitternacht den gewaltigen Van-See. Da es immer noch dunkel ist können wir ihn lediglich erahnen. Wir wechseln hier vom Zug auf die Fähre, auf diese wird zum Glück auch der Gepäckwagen verladen. Das etwas in die Jahre gekommene Schiff hat nur zwei große Räume für die Fahrgäste und ist mit einer Art Kinobestuhlung ausgestattet. Bis das Schiff morgens um vier am anderen Ufer anlegt, schlafen wir etwas ungemütlich.
Auf der anderen Seite wartet ein ebenfalls komfortabler türkischer Nachtzug, in dem wir einmal etwas vorschlafen bis die Bettwäsche gebracht wird. Da das Abteil mit unseren Plätzen irgendwie verschlossen ist, werden wir von unseren bisherigen Zellengenossen getrennt und teilen uns fortan das Abteil mit einem Irani ohne englische Sprachkenntnisse. Wir fahren durch teils eintönige, teils wunderschöne Berglandschaften Richtung Ankara. Da unser Essen ausgegangen ist, müssen nun auch wir uns aus dem Speisewagen versorgen. Die Qualität ist etwas besser als in Deutschland, die Preise auch. Unsere Mitreisenden feiern teilweise schon morgens, dem Alkoholverbot ihrer Heimat entkommen zu sein. Überhaupt erinnert einiges an Klassenfahrt – darunter die Musik im Speisewagen oder dass es mitunter eine nette Gemeinschaft zwischen den Reisenden gibt.
Als wir in Ankara ankommen wird spürbar, dass wir der iranischen Bürokratie entkommen sind; der Gepäckwagen wird geöffnet und jeder zieht seinen Kram raus. Wozu wir einen Beleg für unser Gepäck bekommen haben bleibt ein Rätsel, zumindest hatte es uns beruhigt.
In Ankara lernen wir, dass der Schnellzug nach Istanbul wirklich keine Fahrräder mitnimmt und kein anderer fährt. Ein Taxi bringt uns für einen horrenden Preis zum Busbahnhof und dort nehmen wir prompt für rund 15€ Fahrkarten nach Istanbul. Das Busfahren schlägt schwer auf unsere Nerven, in den Dingern macht Reisen einfach keinen Spaß. Wenigstens sind wir schlappe fünf Stunden später auf der anderen Seite des Bosporus und dürfen vorher noch einen Blick auf einen Sonnenuntergang über dem Marmarameer genießen.
Es ist Abend und wir müssen abwägen: es besteht eine Zugverbindung nach Sofia in Bulgarien, bei dreimaligem Umsteigen und 24h Fahrzeit, alternativ fährt ein Bus, mit dem wir direkt am nächsten Morgen in Sofia ankommen würden. Das entscheidende Argument ist letztlich, dass wir nicht 1,5 Fahrräder und einen Gepäckberg quer durch Istanbul (vom Busbahnhof zum Bahnhof) bewegen wollen und so fällt die Wahl auf den Bus (25€). Der Busfahrer will reichlich Geld für unsere Räder und so verhandeln wir mit der Busgesellschaft, dass wir eine Stunde später mit einem anderen Bus und dafür ohne Aufschlag fahren. Wir verbringen eine sehr unbequeme Nacht mit Grenzkontrollen an der Außengrenze der EU; um zwei Uhr morgens und der Bekanntschaft von Grenzbeamten, die aussehen wie ein Schlägertrupp.
Sofia begrüßt uns im Dunkeln und mit Morgennebel. Auf Grund eines Missverständnisses dauert es eine gute Stunde bis wir zum Bahnhof gelaufen sind, der sich direkt neben dem Busbahnhof befindet. Wenigstens hat nun auch der Schalter offen und wir erfahren, dass wir weitere fünf Stunden Zeit haben. Die Gepäckaufbewahrung akzeptiert Julians Fahrrad, beladen mit dem gesamten Reisegepäck als einen Koffer und so sind wir denn Kram für 2€ den restlichen Vormittag los und können uns die Stadt anschauen. Sofia ist eine nette Stadt und für uns gerade gefühlt sehr klein, aber es gibt endlich wieder richtig guten Kaffee.
Unser nächster Schlafwagen (63€ inkl. Bahncard) enthält noch die Hausordnung aus DDR-Zeiten: „Bei ungewöhnlichen Vorkommnissen (Feuer, Rauch, Defekt) ist umgehend der Schaffner zu informieren.“ Sonst ist der aber gut in Schuss und Recht bequem und wir müssen nichts für die Räder bezahlen, die ein eigenes Abteil bekommen. Man kann sogar Kaffee beim Schaffner bekommen, auch wenn ersterer wieder löslich ist.
Soweit lief alles ganz gut, dass soll sich in Budapest aber ändern. Den Railjet der ÖBB nach München dürfen wir selbst nach harten Verhandlungen nicht nehmen. Die einzige Alternativverbindung geht morgens um neun Uhr über Prag, was erstens ein riesen Umweg ist und zweitens sind wir dafür zu spät. Nach zähen Verhandlungen mit mehr und weniger freundlichem Personal am Fahrkartenschalter erstehen wir ein Ticket über Bratislava nach Wien für stolze 50€ (Incl. BC), alleine für die Räder nimmt man uns 10€ ab. Da muntert nicht mal der wunderschöne Bahnhof auf.
Ab Wien wird alles anders. Hier ist die Privatisierung angekommen. Das ÖBB-Personal erzählt uns zwar, dass Züge eines privaten Unternehmens fahren, aber nicht, wie man an die Fahrkarten kommt und was diese Kosten. Den Preis für die Züge, die man für uns buchen könnte ist astronomisch und die Privaten fahren ab Westbahnhof. Wir kaufen eine Fahrkarte für die U-Bahn mit der wir, wie wir dann erfahren doch nicht mit dem Rädern fahren dürfen. Irgendwie schaffen wir es mit S-Bahnen doch noch zum Westbahnhof und bekommen einen Zug nach Salzburg (23€ +5€ Fahrrad). Dort joggen wir zum Anschluss nach München, wobei wir im Rennen noch ein Bayernticket Nacht samt Fahrradaufschlag (19€) aus dem DB-Automaten ergattern. Glücklich sitzen wir daraufhin im Zug nach München, um dort unsere alte Freundin Alex zu treffen und uns vor der letzten Etappe noch eine Nacht auszuruhen. In der Münchener S-Bahn befragt uns ein älterer Herr nach unserem Vorhaben und drückt uns 20€ für ein Frühstück in seinem Lieblingscafé in die Hand; dieses hätten wir uns verdient. Nachdem wir wochenlang von der iranischen Gastfreundschaft geschwärmt haben, sind wir wirklich positiv überrascht. Unsere Freundin Alex holt uns zu später Stunde am Bahnhof ab und wir freuen uns nicht nur riesig über ein Wiedersehen sondern gleichsam auf eine Dusche, die nach einer knappen Woche Zugfahren überfällig geworden ist. Am nächsten Morgen brechen wir auf zu unserer letzten Etappe und fahren mit dem Nahverkehr Richtung Freiburg (32€). Neben uns plätschert ein Flüsschen, von dem wir kaum glauben können, dass es der gleiche mächtige Strom ist, den wir vor wenigen Wochen in Rumänien verlassen haben. Als sich die Bahn den Schwarzwald hinauf bewegt, entdecken wir nicht nur manchen Weg, den wir vor einer gefühlten Ewigkeit geradelt sind, wieder, sondern genießen auch wieder das satte Grün dieser wunderschönen Bilderbuchlandschaft. Die schneebedeckten Gipfel liegen allerdings 6000 km hinter uns. Als wir in Freiburg aussteigen, kommt es uns unwirklich vor, tatsächlich angekommen zu sein.
Hier nochmal unsere Rückreise im Überblick:
Zug Teheran – Ankara; 48€; 2,5 Tage
Bus Ankara – Istanbul; 15€; 5h
Bus Istanbul – Sofia; 25€; 9h
Zug Sofia – Budapest; 63€; 1,5 Tage
Zug Budapest – Bratislava – Wien; 60€; 4:30h
Zug Wien – Salzburg; 28€; 2:30h
Zug Salzburg – München; 19€; 2h
Zug München – Ulm – Neustadt – Freiburg; 32€; 7h
* Alle Preise p.P. mit BC50, Rädern und 2 Reisenden für Ländertickets.