Es ist Ostern, wir haben eine Woche Zeit und Lust raus zu kommen und endlich die Räder mal wieder außerhalb der Stadt zu benutzen. Dazu wollten wir in den Süden und für nur eine Woche nicht ewig im Zug sitzen. Der Rhôneradweg (ViaRhôna, EuroVelo Route 17) bot sich da für uns an. Mit der Bahn ging es weitgehend unkompliziert und bezahlbar durch die Schweiz nach Genf wo man gut auf den Weg aufspringen kann. Die Beschilderung beginnt am Hauptbahnhof und führt dann mit ein paar Lücken und verdrehten Schildern aus der Stadt. Hier heißt es lieber einen Blick mehr als weniger auf die Karte werfen. Wenn man was von der Stadt sehen will sollte man sich dafür auch gesondert vorab etwas Zeit nehmen, vom Radweg aus sieht man nicht sehr viel davon. Da unser Zug erst gegen 16 Uhr am Bahnhof angekommen war, lassen wir die Stadt zügig hinter uns und machen uns auf Richtung Frankreich. Nachdem man sich durch die immer gleichen Vorstädte in einem etwas langwierigem Zickzack durch orientiert hat, winken die ersten Belohnungen. Mit Blick auf verschneite Alpenausläufer radelt man auf vorwiegend sehr ruhigen und jetzt auch besser beschilderten Wegen durch hübsche Vororte und über grüne Hügel. Wir schlagen unser Zelt diese Nacht nach nur etwa 25km Strecke in einem kleinen Wäldchen im Grenzgebiet auf und schlafen sehr ruhig eine erste Nacht seit langen mal wieder auf Tour.
Das Wetter ist schön als wir am nächsten Morgen Starten und beim nächsten Bäcker unsere ersten französischen Croissants für diese Reise besorgen. Auf einer Anhöhe mit wunderbaren Blick aufs Flusstal, dass sich zwischen den Bergen hindurchzwängt, frühstücken wir und kommen auf den Geschmack von Frankreich. Die kommen Kilometer werden alle schön und wenig ereignisreich, bis wir übersehen, dass der Rhôneradweg in wenigen Abschnitten in Varianten für verschiedene Fahrradtypen und Sportlichkeit beschildert ist. Die Mountainbikeroute bringt uns zwar nicht aus dem Konzept und hatte Landschaftlich einiges zu bieten, ein wenig durchgerüttelt wurden wir aber schon. Wer kein Problem mit etwas Geholper hat und das eigene Rad auch ein paar Stufen herunter heben kann, dem kann man das durchaus empfehlen. Die Aussichten auf den ersten 200km der Strecke sind immer wieder beindruckend schön, gerade weil der Weg etwas Abstand vom Fluss nimmt und auf kleinen Straßen die Hänge am Ufer erklimmt. Wir fühlen uns rundherum wohl, die Steigungen sind zum warmfahren gerade richtig, nicht zu steil und nie zu lang, und die Abfahrten machen dennoch Spaß.
Bereits am dritten Tag, nachdem wir auch das erste Atomkraftwerk dieser Route passiert haben, erreichen wir Frankreichs drittgrößte Stadt Lyon. Auf dem Weg in die Stadt verlieren wir den Radweg aus den Augen und landen mit etwas Glück auf einem Radweg entlang der Schienen, der uns sehr direkt schnell und mit sehr wenig Verkehrschaos in die Innenstadt bringt. Wir reisen mit elektronischer Karte und lassen uns auf dieser die Hostels einblenden. Das erste ist voll, aber zwei Straßen weiter haben wir Glück und kommen für 25€ pro Nase im 6er-Zimmer unter. Wir genießen die Dusche und einen abendlichen Spaziergang durch Lyon und schaffen es in einer französischen Großstadt Probleme zu haben etwas zu Essen zu finden. Das liegt vor allem daran, dass Ostersonntag ist und wir etwas vegetarisches finden müssen. Wir enden bei Pizza und Julian findet doch etwas sehr französischen (oder vielleicht eher europäisches) auf der Karte – Pizza Tartiflette (mit Kartoffeln und Reblochon-Käse) vereint das italienische Nationalgericht mit einer französischen Spezialität um von einem Deutschen gegessen zu werden.
Wir brechen am nächsten Morgen bei Nieselregen und mit einer etwas erkälteten Linda wieder auf und wühlen uns durch den zum Glück gemäßigten Feiertagsverkehr. 50km weiter sind wir geschafft vom Gegenwind, durchnässt vom Regen und völlig frustriert von einem ewig ereignislosen Weg zwischen Mauern von Anwesen, von denen man nichts sieht und unzähligen Industrienanlagen und -brachen am Wegesrand, vom nächsten AKW ganz zu schweigen. Wer diesen Teil des Weges überspringt verpasst nichts sehenswertes und hat bessere Laune. Zu allem Überfluss schlägt Lindas Erkältung richtig durch und wir suchen den erstbesten Campingplatz der um diese Jahreszeit schon offen hat. Zum Glück sind französischen Rennradler äußerst hilfsbereit und telefonieren im Zweifel auch für einen rum. Plätze zum wild Zelten sind im engen und dichtbesiedelten Flusstal nicht ohne größere Umwege zu finden, also nehmen wir Campingplätze, die zum Glück auch sehr bezahlbar sind (8 – 15€ für 2Pers. +1 Zelt). Wir machen also kurze Etappen von Campingplatz zu Campingplatz, was den großen Vorteil hat, dass man abends noch Zeit für einen Spaziergang in den Ort und für sonstige Hobbies hat. Die Strecke wird wieder schöner, ohne große Höhepunkte, aber der Radweg ist super gut ausgebaut und die zahllosen Bäckereien am Wegesrand versüßen uns die Reise.
Kurz vor Montelimar zwingt uns endgültig Lindas Erkältung zum Pausentag und wir bleiben bei Cruas 2 Nächte auf dem Campingplatz. Julian radelt durch die Rhône-Alpes und Einkaufen, während sich Linda in der Sonne vorm Zelt ausschläft.
Der kommende Tag bringt neuen Regen und wir machen uns auf die letzten Kilometer der Tour nach Motelimar an den Bahnhof. Da uns in Frankreich nur Regionalbahnen samt Fahrräder mitnehmen brauchen wir dennoch 2 Tage zurück und machen in Besançon einen Stop über Nacht. Am Bahnhof treffen wir einen sehr netten und begeisterten Jongleur namens Vincent. Als wir Abfahrtsbereit am nächsten Morgen am Bahnhof stehen kommt eine sehr nette schweizer Gruppe mit nochmal 15 bepackten Fahrrädern dazu die in den gleichen Zug wollen. Mit vereinten Kräften bringen wir aber alle Räder in Fahrrad-, Behinderten- und Kinderwagenbereich problemlos unter. Im Anschlusszug treffen wir noch Jérémie der viel auf Radreisen unterwegs war und nun einen Film darüber gemacht hat und haben damit noch einige spannende Begegnung zum Abschluss.
Unser Fazit zum Rhôneradweg fällt insgesamt etwas durchwachsen aus. Zeitweise fragten wir uns ob der Weg nicht lieber als Französische Industrie- und Atomromantikroute ausgeschildert werden sollte, aber der erste Teil und das schöne Lyon sind uns in guter Erinnerung. Die Landschaft ist insgesamt nicht besonders spektakulär, vor allem wenn man sie mit den angrenzenden Gebieten vergleicht. Man sollte sich auf jeden Fall mehr Zeit mitnehmen für diese Strecke und immer mal Abseits der Route eine Tagestour machen. Wir hätten es gerne noch in die Schluchten der Ardèche und an die Côte d’Azur geschafft. Dazu nehmen wir uns ein anderes Mal Zeit, dann vielleicht auch ganz ohne ViaRhôna.