Iran war das Ziel unserer Reise, wir haben viel von diesem Land gehört und gelesen. Liest man Reiseberichte, findet man durchweg Lob, von großartiger Gastfreundschaft über wunderschöne Landschaften bis zu fantastischen kulturellen Schätzen. Hört man die Nachrichten in Deutschland, so dominieren zwei Begriffe; Atomprogramm und Sanktionen. Schon die Gesetzeslage ist für uns gewöhnungsbedürftig; mit Kleidungsvorschriften für Linda und Alkoholverbot für Julian um nur das Alltäglichste zu nennen.
Zumindest reisen wir nicht alleine ein, drei Kilometer vor der Grenze treffen wir unsere drei Freund_innen Jule, Marcel und Christian und Martin aus Tschechien wieder und machen uns gemeinsam auf ins Unbekannte. Wir wollen zusammen nach Tabris radeln. Die Grenzkontrollen sind etwas aufwendiger als die letzten, aber lange nicht penibel und nach etwa einer halben Stunde sind wir, um ein paar Stempel im Pass reicher, in dem Land, über das wir so viel Positives und Negatives gehört haben. Nachdem wir die Geldwechsler abgeschüttelt haben, steht uns am Grenzort die erste Lektion, iranischer Verkehr, bevor. Alles um uns herum hupt, fährt in irgendeine Richtung und missachtet praktisch jede gewohnte Verkehrsregel inkl. Ampeln und Polizisten. Wenn man sich nur mutig in den Strom von Autos wirft, hat man allerdings meist Platz und umfahren will uns auch niemand. Viele Autofahrer hupen auch, um uns zu grüßen, winken und wo immer wir halten werden wir schnell in ein Gespräch verwickelt. Einige Male bekommen wir von Vorbeifahrenden Kleinigkeiten zu Essen geschenkt.
Am ersten Abend bitten wir an einem Gemüseanbaubetrieb um einen Platz für unsere Zelte. Kurze Zeit später sitzen wir in mitten einer Großfamilie der türkischen Minderheit in Iran in der Stube, trinken Tee und es wird viel Gelacht, praktisch niemand trägt Kopftuch und der Abend endet mit viel Musik und Tanz. Wir schlafen in einem kleinen Raum neben einem warmen Ofen und sind glücklich, angekommen zu sein.
Die Straßen sind die kommenden Tage wie erwartet groß und laut, aber auf dem Seitenstreifen kommen wir sicher und schnell voran. In Marand nimmt uns eine Legende dieser Radroute in seine Obhut. Akbar hat praktisch für jeden Radreisenden, der die vergangenen drei Jahre diesen Ort durchquert hat, eine Unterkunft besorgt und bewirtet. Sein Gästebuch füllen wir bis zum Eintrag 498 und unsere Bilder landen wohl im Fotoalbum für Radreisende aus Deutschland. Das ein oder andere Gesicht, welches uns aus bekannt vorkommt, finden wir auch unter den hunderten Bildern von Radreisenden aus aller Welt. Hier kommt uns unsere Reise mal wieder ganz klein und vergleichsweise langweilig vor.
Am nächsten Tag geht es auf nach Tabriz. Irgendwo im Schneeregen beim Aufstieg verabschieden sich bei Christian einige Speichen und binnen weniger Minuten trampt er samt Fahrrad davon, auch die Reparatur in einem legendären Radladen in Tabriz ist völlig unproblematisch. Wie wir gehört hatten ist Tabriz hinter Istanbul die Stadt, in der die größte Anzahl türkischstämmiger Bevölkerung lebt. HIer haben wir im dichten Gewimmel der Großstadt unsere zweite Lektion im iranischen Verkehr. Die Verhaltensregeln verdichten sich auf gucken, was vor einem passiert und einfach fahren, was in mehrspurigen Kreiseln spannend sein kann.
Die Stadt hat wenige Sehenswürdigkeiten zu bieten und wir bleiben eigentlich nur deshalb zwei Nächte, um halbwegs alle Einladungen abarbeiten zu können, die wir bekommen. Eine der schönsten führt uns in eine Konditorei. Das hiesige Gebäck ist hervorragend und unglaublich vielfältig. Julian kann es kaum erwarten Heim zu kommen und das ein oder andere im eigenen Backofen zu probieren. Wir übernachten bei einer großen Familie türkischer Herkunft. Abends treffen wir sämtliche weitere Familienangehörige und Freunde unseres Gastgebers. Wir sind überwältigt von diesem Großfamilienleben und der Gastfreundschaft (vegetarisches Essen für Linda, in Iran sonst sehr problematisch…). Bedauerlicherweise begrenzt die Sprachbarriere den Austausch.
Leider sind die Temperaturen eisig und unsere Zeit wird immer knapper. Der äußerst hilfsbereite Mensch der Tourist-Info in Tabriz hat uns Fahrkarten für den Zug Teheran-Ankara organisiert und damit steht unser Abreisedatum fest – wir haben nur noch zwei Wochen! Wenn wir weiter bis Teheran radeln, können wir nichts mehr anschauen und der Winter und die Autobahnen motivieren uns auch nicht besonders. So buchen wir schweren Herzens den Nachtbus nach Isfahan und verabschieden uns von unseren Mitreisenden, die wegen ihrer Visa für Indien nach Teheran aufbrechenden. Unser Weg soll uns nach Isfahan noch nach Shiraz und Teheran führen.
Liebster Julian,
dann bist du ja an Weihnachten bei uns. Wie schön :)
Es tut mir leid für euch, dass es am Schluss jetzt so knapp wird und freue mich sehr, dass es euch so gut geht.
Bis ganz bald.
Hallo ihr Beiden,
wir wünschen euch eine gute Heimreise und sind ein bisschen neidisch auf die lange und schöne Zugfahrt. Das wird bestimmt spannend.
Dann heißt es natürlich wieder ankommen Zuhause rein in das alte leben Zuhause und die Packtaschen in die Ecke legen (aber nict vergessen die stinkigen Socken zu waschen^^).
Es war sehr schön mit euch eine runde zusammenzuradeln und hoffentlich sehen wir uns irgendwann malwieder. ;-)
Grüße von der Reisegruppe „Stinkende Socke“ :-)
Christian, Marcel und Jule