Schon länger träumte ich davon mal richtig in die Berge zu kommen mit dem Rad. Meine letzte Radreiseerfahrung auf dem Rhoneradweg hatte mich zusätzlich bestärkt mich ja nicht wieder auf einen Flussradweg zu begeben und wenn die Alpen nicht mal 100km vor der Haustür liegen bieten sie sich wirklich an. Mit Johanna hatte ich auch eine neue begeisterte Begleiterin für das Unterfangen gefunden und im August fand sich für uns genug Zeit, also Strecke planen und los.
Es gibt eine ganze Reihe beschilderter und ausgebauter Radwege für die Alpenquerung wie die Via Claudia Augusta, Alpe Adria Radweg, oder Müchen-Venezien. Bei genauerer Betrachtung fand ich jedoch alle enttäuschend. Keine bietet Material für auch nur 2 Wochen radeln, alle gehen über maximal einen höheren Pass. Über den Brenner parallel zur Autobahn auf dem Radweg Müchen-Venezien den Hauptkamm überqueren erscheint mir wenig reizvoll. Allerdings gibt es überhaupt wenige Straßen die den Alpenhauptkamm queren und viele sind beliebte Motorradfahrerrouten und/oder Verkehrsachsen. Die Planung auf eigene Faust gestaltet sich also auch schwierig. Am Ende kommt bei der Planung ein Kompromiss raus. Man trifft praktisch mal auf alle Radrouten, folgt ihnen aber nicht lang und statt auf dem kürzesten weg von Nord nach Süd über die Alpen zu fahren folgen wir ihrem Verlauf von West nach Ost ein ganzes Stück. Als Ziel legen wir Ljubljana fest, einfach weil wir wissen das uns eine sehr schöne und (er-)lebenswerte Stadt erwartet und wir Fahrradstellplätze im Zug reservieren müssen.
Unsere Planung sah einiges anders vor als wir nachher Gefahren sind, unsere endgültige Route war:
- Start in Donaueschingen (über den Schwarzwald bin ich oft genug) ->
- runter zum Bodensee und dem Bodenseeradweg folgen bis Bregenz (warmradeln) ->
- Aufstieg entlang der Bregenzer Ach bis Schoppernau ->
- über Lech und St. Anton Richtung Landeck ->
- Reschenpass nach Italien (Via Claudia Augusta) ->
- Abfahrt nach Meran, Bozen, Brixen ->
- der Rienz über Bruneck, Toblach, Innichen hinterher den Pustertalradweg folgen (hier kommt auch ein Stück München-Venezien vor) ->
- über Lienz bis Ötting auf dem Drauradweg ->
- über die Gailberhöhe ins Gailtal (heißt wirklich so) ->
- über Hermagor nach Maglern und dort ab nach Travisio ->
- von Dort direkt nach Ljubljana
Neben den Problemen eine geeignete Strecke zu finden plagen mich allerhand weitere Bedenken. Fährt man die ganze Zeit in einem Pulk miefender, lauter Motorräder und Sportwagen? Teilt man sich die Strecke mit zahllosen zahnlosen E-Bikern und ihren guten Ratschlägen? Will man wirklich so viele Höhen mit Gepäck fahren und macht der untrainierte Körper das mit? Gehen einem vielleicht die Massen an Rennradlern auf den Geist? Immerhin waren die Rennradler-Foren die einzigen die ich gefunden hatte die Tatsächlich halbwegs alle Pässe aus Fahrradperspektive beschrieben haben. Es hilft nichts zu rätseln wir müssen es herausfinden.
Der erste Teil der Reise bietet wenig und dazu hat es noch recht viel geregnet. Von Donaueschingen bis an den Bodensee folgt man erst mal einem weniger schönen Teil des Donauradweges um sich dann am Bodensee die Mauern von Privatvillen anzuschauen und den See entlang des Radweges, der völlig unsinnig auch noch an weiten Teilen entlang der Bundesstraße verläuft, kaum zu Gesicht zu bekommen. Ich kann vom Bodenseeradweg nur abraten. Der Regen sorgte wenigstens für freie Fahrt auf der wohl sonst überfüllten Strecke.
In Bregenz deckten wir uns mit Kartenmaterial ein und versuchen vergeblich bei unserem ersten Österreichischem Quarkstrudel den Regen abzuwarten. Irgendwann geben wir auf und folgen dem Radweg Bregenzer Wald Route bergauf. Der Weg lässt wenig der Bregenzer Ach sehen, verläuft aber recht schön auf ruhigen Nebenstraßen und gut beschildert ohne unnötige Steigungen durch den Wald. In Alberschwende essen wir Käseknödel und feiern die 350 Höhenmeter die wir trotz Regen bezwungen haben. Wir radeln noch einige Kilometer recht eben bis etwa Mellau und fallen erschöpft, nass, aber wenigstens stolz ins Zelt.
Der nächste Morgen hält leider böse Überraschungen für uns bereit; erstens mehr Regen und zweitens schmerzt Johannas rechtes Knie trotz Stützverband (Shoppingtipp für die Radreise). Wir versuchen uns am radeln, geben aber wenige Kilometer später in Shoppernau auf und suchen uns eine Pension zum trocknen und ausruhen. So haben wir wenigstens Zeit uns den Ort anzusehen und in der Käserei einzukaufen. Der nächste Morgen ist trocken und wir starten zu unserem ersten echten Pass. Um ehrlich zu sein, hatten wir den Hochtannbergpass gar nicht richtig bei der Routenplanung auf dem Schirm, obwohl er mit seinen 1660m und bis zu 14% Steigung recht beachtlich ist. Leider hatte es an dem Sonntag recht viel Verkehr, aber wir hatten dennoch viel Spaß in den Serpentinen und vor allem als wir oben über den Pass schauen und verschnaufen. Die Abfahrt über Warth nach Lech ist auch nicht zu verachten und landschaftlich wirklich reizvoll.
Leider wird spätestens in Lech klar Johannas Knie braucht eine Pause und Richtung Flexenpass weiterradeln ist keine Option. Die Unterbringungsmöglichkeiten in dem Nobelskiort entsprechen auch alles andere als unseren Vorstellungen und so bezahlen wir nach einiger Recherche lieber ein Großraumtaxi uns zum ca. 10km entfernten und 400m Höherliegenden Formarinsee zu fahren um dort auf der Freiburger Hütte auf 1931 m.ü.M. ins Zeltnotquartier einzuziehen. Die aus der Not heraus geborene Lösung entpuppt sich als absoluter Glücksgriff. Wir zelten in schönster Natur, die Hütte versorgt uns mit wirklich gutem Essen und wir können einen Tag dort bleiben um das Knie zu schonen. Ich habe Zeit ein paar Kindern auf der Hütte das Jonglieren bei zu bringen und wir knüpfen nette Bekanntschaften. Wir beschließen nochmal mit heilen Gelenken zum Wandern wieder zu kommen und fahren am nächsten Morgen wieder ab, bevor die Touristenhorden dieses kleine Paradies wieder stürmen können.
Die Abfahrt zurück nach Lech lässt keine Wünsche offen. So gestärkt geht es weiter auf den Flexenpass. Mit seinen 1773m ist er der Hochpunkt unserer Reise (zumindest selbst erradelt), auch wenn die Auffahrt durch eine Gallerie und die Abfahrt durch den Tunnel nicht unbedingt zu den Höhepunkten unserer Tour zählen. Auf der anderen Seite erwartet uns kurz hinter Stuben ein Radfahren-Verboten-Schild, da die Auffahrt auf den Arlbergpass wegen Bauarbeiten am Tunnel für Radler gesperrt ist. Der Shuttle bringt uns aber schnell und unkompliziert hoch und die Abfahrt ist nett. St. Anton bietet uns außer einem mäßigen Mittagessen nicht sehr viel und so fahren wir ab Richtung Landeck. Noch vor Landeck in Strengen bahnt sich eine Magenverstimmung bei mir den Weg und ich gönne uns ein Hotel um wenigstens ein eigenes Bad zu haben. Zum Glück bin ich am nächsten Morgen wieder wohl auf für die nächste Herausforderung.
Im wenig schönen Landeck decken wir uns mit einer neuen Karte ein und machen uns auf einen richtigen ausgebauten Radweg Richtung Reschenpass. Die Via Claudia Augusta führt bei sehr moderater Steigung über Pfunds in die Schweiz nach Martina (ca. 1050m.ü.M.) und dann sehr Steil bergauf bis auf die Norbertshöhe (1405m.ü.M.). Auf diesem Gerade einmal etwa 7km langen Abschnitt erradelt man sich eigentlich den Reschenpass (1507m.ü.M.) der erst einige Kilometer hinter Nauders und der Grenze nach Italien liegt. Wir heben uns den Pass für den nächsten Morgen auf und fallen nochmal auf Österreichischer Seite ins Zelt auf einer Wiese die uns netter Weise ein Bauer zur Verfügung stellt.
Der nächste Tag beginnt so ganz entspannt mit einem Pass den wir eigentlich schon erradelt haben und einem Frühstück in der Morgensonne am Reschensee mit Blick ins Tal. Die Abfahrt ist steil und Luxuriös ausgebaut. Man rauscht im historischen Ambiente zwischen Burgen und Bergen Richtung Tal. Im malerischen Städtchen Glurns essen wir nochmal Strudel um uns zu vergewissern das hier trotz Italien eben Tirol ist. Leider dominieren irgendwann die Monokultur-Apfelplantagen und zu der eintöniger werdenden Strecke gesellt sich ein recht vehementer Gegenwind. Immerhin sorgt der angrenzende Nationalpark für ein paar hübschere Natureindrücke. Wir wechseln bei einer kurzen Pause einige Worte mit einem weiteren unmotorisiert Radreisenden Paar und plaudern ein wenig. Wenig später wechseln wir uns wie abgesprochen mit dem Windschatten ab und gelangen schnell und fröhlich im Pulk fahrend nach Meran. Die beiden laden uns auf ein Bier ein und wir verabreden uns für den Abend zum Pizza essen. Wir checken also auf dem Meraner Campingplatz ein und sind nach einer kurzen Dusche schon wieder auf dem Weg zum Abendessen, welches sehr Lustig, Üppig und Gut ausfällt.
Meran erscheint uns als hübsches und nobles Kurörtchen was nicht ganz unseren Urlaubsplänen entspricht, abgesehen davon ist es sehr warm und wir freuen uns schon wieder auf die Berge. Ein Blick auf die Karte und ein kurzes gegenrechnen wieviel Zeit wir noch bis Ljubljana haben überzeugt uns bis Brixen einen Zug zu nehmen. Wir haben weder Lust auf mehr Apfelplantagen neben der Autobahn, noch auf die Großstadt Bozen und auf Stress auf den letzten Etappen schon gar nicht. Die Regionalbahn ist mit ca. 35€ für 2 Personen mit Fahrrädern etwas teurer als erwartet, aber wir sind ganz froh als wir im netten Kurörtchen Brixen einen Café vor uns haben ohne uns durchs Finschgau abgemüht zu haben. Leider ist es schrecklich heiß und die Strecke aus Brixen raus ein Stück den Brenner hoch zur Franzenfeste ist auch kein Highlight, wenig später Rasten wir aber unter der uralten Dorflinde in Aicha und essen Leckereinen aus dem örtlichen Hofladen und sind schon wieder etwas versöhnt mit der Strecke. Nach Bruneck ist der Weg nicht sehr aufseheneregend aber nett zu fahren. Wir machen gut Tempo und gönnen uns gegen Abend einen Spaziergang durch Bruneck. Die Stadt ist voller Leben und wir genießen das abendliche Flair. Wir können uns nicht entschließen wild zu Zelten und enden so wieder auf dem Campingplatz, wenigstens haben wir uns im Supermarkt mit frischer Pasta und Tomate Mozzarella eingedeckt, so das wir den Abend mit einem zwei Gänge Menue vom Campingkocher ausklingen lassen.
Die Strecke kurz hinter Bruneck führt durch das enge Flusstal auf einer ehemaligen Bahntrasse und ist von der Natur wie von der Strecke her ein Genuss. Leider zieht so richtig schlechtes Wetter auf. Bei Toblach stellen wir uns nochmal eine Stunde am Bahnhof unter in der Hoffnung der Regen hört wieder auf. Wir bemerken jetzt erst, dass wir auf einer Wasserscheide sind. Die Bäche die die Drau speisen haben den Radweg mit einer Schlammlawine verwüstet. Zum Glück hat ein Bagger schon das ärgste zur Seite geräumt, aber wir nehmen dennoch reichlich Dreck für den Rest der Reise mit. Die Wolken enthüllen immer mal wieder die gewaltigen Dolomiten neben uns und wir sind von deren Schönheit ganz abgelenkt vom mäßigen Wetter. Trocken schaffen wir es aber nur bis Innichen zum einkaufen, dort warten wir nochmal den Hagel ab und starten wieder in den Regen. Nun geht es aber die Drau runter und der Wind steht uns im Rücken. Wir lassen uns bis über die Grenze nach Österreich wehen und Campen wenig später in einem Waldstück. Wir sind schon wieder echt nass und hoffen auf besseres Wetter.
Das bringt der nächste Tag. Wir folgen noch bis Oberdrauburg dem Drauradweg währen die Wolken und die Gipfel weiter ihr Versteckspiel spielen. Dort biegen wir dann ab zur Gailberghöhe. Wir sind schon wieder auf etwa 600m.ü.M. abgefahren und es geht nun auf 950m.ü.M wieder hoch. Wir freuen uns mal wieder auf einen ganz kleinen Pass, auch wenn es Johanna während der Auffahrt schon wieder ein bisschen bereut. Die Abfahrt entschädigt für alles und unten gibt es sehr gutes Eis. Wir hängen uns auf den Regionalradweg entlang der Gail, was sich bei der Bergsicht und den sonst auch angenehmen Bedingungen als Glücksgriff erweist. Wir übernachten irgendwo oben auf dem Deich und erreichen am nächsten Vormittag nach einigen wenig schönen Kieswegabschnitten Maglern. Hier treffen wir mal wieder auf eine der großen Radreiserouten. Auf der Via-Alpina fahren wir rüber nach Italien nach Travisio um uns dort nochmal im Supermarkt einzudecken und dann gleich weiter auf der ehemaligen Bahnlinie über den Weißenfellspass sehr komfortable nach Slowenien zu radeln. In Dovje Campen wir mit Blick auf die Gipfel des Triglav Nationalparks und stellen fest das es unser letzter Abend auf den Rädern ist. Ljubljana ist nur noch eine Tagesetappe entfernt. Wir waren dann doch schneller als erwartet.
Die Letzte Etappe müssen wir mit einem Umweg über Bled aufhübschen, weil die ganze Zeit irgendwo parallel zur Autobahn durchs Tal fahren keine Option ist. Wir schaffen sogar mal kurz in den See zu springen und genießen die Höhen und Berglandschaften rund um dieses Slowenische Neuschwanstein. Der Rest des Tages ist mehr Fleißarbeit, bis wir Abends reichlich geschafft in Ljubljana auf dem Campingplatz einrollen.
Der Campingplatz Laguna ist nicht wirklich zu empfehlen – ein Massencampingplatz mit alten, nicht besonders sauberen Duschen und Toiletten und jedem Abend wird eine andere Reisegruppe per Bus antransportiert, die in dem dazugehörigen Hotel untergebracht wird, aber es ist der einzige Campingplatz der Stadt. Die 5 km Fahrt in die Innenstadt zeigt die Stadt von einer ganz anderen Seite und so sehen wir auch mal das Finanzviertel von Ljubiljana. Die Altstadt bezaubert mit ihren vielen Brücken über die Ljubilanica und die drumherum stehenden Gebäude erinnern stark an Italien. Überall gibt es günstigen und leckeren Kaffee, extrem gutes Eis und alle paar Meter einen Trinkwasserbrunnen, wo man sich kostenlos die eigene Trinkflasche auffüllen kann. Es gibt sogar einen Jonglierladen und der Tivoli lädt als großer schöner Park zum verweilen im Schatten der alten Bäume ein. Und so lassen wir es uns noch drei Tage in der Stadt gut gehen, bevor wir uns auf unsere 14 stündige Zugfahrt nach Hause aufmachen.
Und was ist nun aus unseren Bedenken geworden? Motorräder und Sportwagen gibt es viele und ja sie stören, sind aber auch kein Weltuntergang. Von den E-Bikern trifft man nicht zu viele so lange man nicht die Standardrouten fährt und selbst wenn sind es mittlerweile meist ganz angenehme Zeitgenossen, zumindest besser als die Motoradfahrer. Die Rennradler die ich auf manchen Strecken schon mal als unfreundliche verbissene Sportler angetroffen hatten waren auf dieser Reise durchweg nett und anerkennend. Mancher sprach uns an der Passauffahrt seinen Respekt aus das mit Gepäck und schweren Rädern zu machen. Zu guter Letzt, was die körperlichen Strapazen angeht kann man sich im Schwarzwald schlimmere und steilere Routen antun, dafür sind die Wege in den Alpen einfach viel zu gut ausgebaut (von 17% Steigung auf dem Radweg in Slowenien abgesehen). Mich zieht es wohl für die nächste Radreise wieder in einsamere Gefilde, aber empfehlen kann man den Trip auf jeden Fall. Auch Johanna meint der Trip hätte ihr gezeigt, dass Berge kein Hindernis sind. Also auf gehts es gibt noch viele schöne Gebirge zu entdecken.