Eine Radreise ist wie ein Kuchen, für beide gilt:
1. Je umfangreicher desto besser.
2. Warm ist der Genuss größer als kalt.
3. Nass ist unappetitlich.
4. Schmeckt selten auf Autobahnen.
5. Wenn man merkt, dass zeitlich nicht alles zu schaffen ist, kann man anfangen, die Rosinen raus zu picken.
Letzteres wurde bei uns aktuell. Wir waren in Istanbul so spät, dass es unrealistisch wurde, die ganze Strecke noch zu radeln. Daher nehmen wir den Bus aus Istanbul hinaus, um den Autobahnen auszuweichen und direkt ab Bartın das schwarze Meer genießen zu können. Unser Reiseführer lobt die Strecke in den höchsten Tönen und so ist die Vorfreude trotz Busfahrt groß. Von Bartın bis ans Meer sind es noch einige Kilometer und wir lassen uns von Ramazan über warmshowers hier beherbergen. Für uns ist die Stadt seither eine absolute Radlermetropole. Ramazan ist am gleichen Abend von einer Radreise zurückgekehrt. Schon als wir auf ihn warten werden wir von einem Radler angesprochen und mit Streckenhinweisen versorgt. Später treffen sich alle Radaktiven der Stadt noch bei unserem Gastgeber auf ein Glas Tee oder ein Bier. Die Truppe organisiert ein Radlerfestival jedes Jahr und wir bekommen Halstücher mit entsprechenden Logo sowie Türkeifähnchen und Reiseführer geschenkt. Gerne würden wir länger bei diesen tollen Leuten bleiben, aber nach einer Woche Pause in Istanbul ruft die Straße.
Wir fahren erstmal nach Amasra ans Meer und unsere späte Reisezeit zeigt große Vorteile. Die Hälfte der Turistenbuden sind schon geschlossen, wir treffen keinen einzigen anderen Reisenden im Ort. Als wir uns die erste brutale Steigung der Küstenstraße hochquählen, werden wir von einem Bauarbeiter angehalten und gefragt was wir JETZT hier machen. Vor zwei Monaten hätten wir noch viele deutsche Kennzeichen hier sehen können. Wir machen noch ein paar Witze und verabschieden uns lachend. Die Straße gehört praktisch uns. In engen Kurven windet sie sich steil entlang der Küste. Die Anstiege brennen in den Beinen, die Abfahrten sind der reinste Spaß. Auf der einspurigen Straße kleben die schweren Räder in den Kurven und die Aussicht ist kaum zu überbieten. An Stellen zum Zelt aufstellen fehlt es uns auch nicht, übernachten ohne Meerblick und Bergpanorama ist nur in Ausnahmefällen nötig.
Wir haben auch viele tolle Begegnungen in diesem Streckenabschnitt, wir treffen ein paar Radreisende, ein spanisches Duo aus Barcelona und Tyson aus Kanada. Ramazan hatte uns erzählt, dass er etwa alle zwei Wochen Radler, die zwischen Asien und Europa unterwegs sind, beherbergt. Das sind dann auch nur diejenigen, die die Route am Schwarzen Meer nehmen und in Bartın übernachten. Wir fühlen uns in dem Strom an Reisenden auf zwei Rädern gut aufgehoben. Dies jedoch nicht nur unter den Reisenden. Sehr häufig werden wir unterwegs – ob zufällig oder weil wir, warum auch immer, sofort als Deutsche identifiziert werden – von Passanten in den Orten auf deutsch angesprochen. Die meisten unserer Gesprächspartner sind Rentner, die in Deutschland gearbeitet und bereits mehr Zeit in eben diesem Land verbracht haben als wir, einige fast fünfzig Jahre. Viele sind auf Besuch für einige Wochen oder Monate in der Türkei und haben einen Großteil ihrer Familie in Osnabrück, Tittisee, Kassel, Karlsruhe, Aachen, Essen… die Liste ist lang. Nur wenige haben sich entschieden, gänzlich in die Türkei zurückzukehren. Wir sind beeindruckt, wie intensiv der Bezug zwischen diesen beiden Ländern ist, die über drei Tausend Kilometer entfernt liegen und einige doch nicht unwesentliche kulturelle Unterschiede aufweisen. Was sich durchaus in Deutschland stärker etablieren könnte, sind die herzlichen Einladungen zum Tee.
Die erste Rosine aus unserem Tourkuchen ist in Samsun endgültig gegessen und so begeben wir uns zum Busbahnhof. Auf der Suche nach dem richtigen Schalter sammelt uns der Busfahrer ein und zehn Minuten später sind unsere Räder und wir verladen Richtung Trabzon. Bei diesen Menschen und ihrer Hilfsbereitschaft sind Anzeigetafeln für Fahrpläne schlicht unnötig. Ganze sechs Stunden und dreihundert Kilometer später erreichen wir die Hafenstadt.
Ach wie schön das euch die Schwarzmeerküste so gut gefällt. Uns hat die enorme Gastfreundschaft damals auch sehr beeindruckt.. da könnten sich die Deutschen wirklich eine Scheibe von abschneiden!! Ich denke mal ihr werdet Richtung Rize und dann vermutlich in die Berge weiter fahren oder?? Falls ihr nach Kars fahrt, schaut euch unbedingt Ani an. Eine sehr alte Geisterstadt mit der ersten kurdischen Moschee. Das ist wirklich ein märchenhafter flecken Erde, direkt an der armenischen Grenze (und nicht durch die Löcher im Grenzzaun klettern!!).
Ich bewundere euch für euer Durchhaltevermögren und fiebere mit!! Falls ihr nicht in den Iran könnt oder wollt, das Häuschen in der Nähe von Antalya haben wir.. also wenns konkret wird, meldet euch und steigt dort zum ausruhen ab! :-) nen ganz festen Drücker!
Sandra
Die Visa für den Iran sind beantragt und wir müssen bis Montag drauf warten. Dann fahren wir wohl mit dem Bus nach Kars. Danke für den Tipp mit der Geisterstadt, ich muss nochmal genau schauen wo die ist. Ich freu mich schon riesig auf die Berge. Damit schaffen wir es wohl leider nicht in eurer Häusschen. Das muss dann auf ein anderes mal warten. Viele grüße aus dem Kohledampf in die Berliner Stadtluft Julian
„Froh schlägt das Herz im Reisekittel, vorausgesetzt man hat die Mittel“
– Wilhelm Busch –
In diesem Sinne: Ich hoffe, ihr bekommt heute problemlos eure Visa und genießt den letzten Reisemonat im Iran.
Sonnige Grüße aus B!
In der Tat, wir halten sie glücklich in den Händen! Gleich geht’s los in die Berge, wenn diese erklommen sind, sollte der Einreise nach Iran nichts mehr im Wege stehen :-)
Liebe Grüße!!
Linda